ZNV schafft der Branche eine zusätzliche Bühne Der öffentliche Verkehr braucht noch mehr Gewicht und Gehör in Politik und Gesellschaft. Die Initiative Zukunft Nahverkehr will dazu beitragen. Wie geht es weiter mit der Zukunft Nahverkehr (ZNV)? Philipp Kühn (Foto) ist Leiter Marktstrategie und Branchenkommuni- kation bei DB Regio und hat die Initiative auf den Weg gebracht. Die ZNV hat mit einem Branchenevent vor einem Jahr in Berlin rie- sigen Anklang gefunden. Auf der InnoTrans in diesem Jahr sollte die ZNV ebenfalls prominent vertreten sein. Dann wurde der Auf- tritt abgesagt. Warum? „Es stimmt, wir hatten uns viel vorgenommen. Aber gleichzeitig muss die gesamte ÖPNV-Branche im Moment in einem sehr herausfordern- den Umfeld agieren. Die wirtschaftliche Situation im ÖPNV ist an- gespannt, in der Politik überlagert die schwierige Haushaltslage im Moment viele Diskussionen. Dazu kommt, dass es aus vielen verschie- denen Gründen gerade sehr schwierig ist, ein attraktives Angebot in hoher Qualität für die Fahrgäste sicherzustellen. Der Fokus in der Poli- tik, der Branche und auch der Öffentlichkeit liegt zu Recht voll auf der Gegenwart. Insgesamt ist das damit kein besonders guter Zeitpunkt, um die Diskussion über die Gestaltung der Zukunft der öffentlichen Mobilität mit einer großen und zentralen Veranstaltung nach vorne zu bringen. Aber damit ist weder die Initiative Zukunft Nahverkehr been- det, noch ist diese Diskussion weniger wichtig geworden.“ Wie muss man die ZNV verstehen? Als Veranstaltungsformat? Als Branchenschaufenster? „Die ZNV ist eine langfristig angelegte Initiative, die der Branche den Raum geben will, ihre Botschaften zu formulieren und ihr die Bühne bereiten möchte, diese Botschaften in die Öffentlichkeit und Politik zu tragen. Das ZNV-Event im vergangenen Jahr hat viele begeistert und war der Auftakt dafür. Aber unabhängig vom Format ist es das Ziel, der öffentlichen Mobilität in Politik und Ge- sellschaft noch mehr Gewicht und Gehör zu verschaffen. Im Rahmen des ‚Mobilitätsgip- fels‘ im vergangenen Jahr im Kanzleramt war im Grunde nur die Autoindustrie sichtbar, ÖPNV hat dort inhaltlich und in der Bericht- erstattung kaum eine Rolle gespielt. Das ist natürlich nicht immer so, aber ein Beispiel für unsere Motivation. Wie können wir es als regi- onal organisierte Branche noch stärker schaf- fen, übergreifend sichtbar zu werden? Wir wollen Formate entwickeln, die die intensive, bestehende und erfolgreiche Arbeit der Branche und ihrer Verbände so ergänzen, dass unsere gemeinsamen Botschaften noch wirksamer wer- den und die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs für die Lebensquali- tät der Menschen, die Wirtschaft in Deutschland und den Klimaschutz noch mehr in den Blickpunkt gerückt wird.“ Hat der ÖPNV weniger Durchschlagskraft und Sichtbarkeit als an- dere Branchen? „Ich habe ja gerade selbst den Vergleich mit der Automobilindustrie gezogen und ja, zumindest was öffentliche Sichtbarkeit von übergrei- fenden Anliegen angeht, könnte man zu dieser Erkenntnis kommen. Die Durchschlagskraft, die ja oft auch ‚hinter den Kulissen‘ wirkt, kann und möchte ich nicht bewerten. Aber davon abgesehen: A bissel was geht alleweil, wie man in Bayern sagt. Also, da ist noch mehr drin. Branche und Besteller o i g e R B D : o t o F Wo soll die ZNV konkret ansetzen? An welcher Stelle kann sie Unterstützung leisten? Wie wollen sich Branchenpartner einbringen und welchen Benefit erwarten sie? Philipp Kühn freut sich über Feedback: philipp.kuehn@deutschebahn.com Alle Branchenteilnehmer setzen sich mit voller Überzeugung für den ÖPNV ein, aber trotzdem dringen wir nicht immer so durch, wie es vielleicht möglich und notwendig wäre. Und das können wir – das ist unsere Überzeugung – gemeinsam noch verbessern. Die ZNV ist unser absolut ernst gemeintes Angebot dafür. Die Initiative schafft einen Raum und einen Rahmen, um gemeinsame Botschaften zu erzeugen und wirksam zu verbreiten – ergänzend zu den relevanten Einzelbot- schaften, die jeder für sich hat und die oft den individuellen Rahmen- bedingungen gerecht werden müssen. Eine gemeinsame, neutrale Initiative erweitert den Spielraum. Die ZNV versteht sich als offene Plattform und gibt allen Beteiligten die Chance, ihren Wirkungskreis zu vergrößern, die Sichtbarkeit der Branche insgesamt zu erhöhen und sich gemeinsam hinter die Mobilitätswende zu stellen.“ Die ZNV ist von DB Regio auf den Weg gebracht worden. Welches Unternehmensinteresse ist damit verbunden? „Dasselbe Interesse, das wir alle haben, nämlich die Zukunft der Mobi- lität im Sinne des ÖPNV zu gestalten und der Branche so viel Stimme und Gewicht wie möglich zu geben. Und natürlich wollen und werden wir als DB Regio wie alle anderen auch von einem eventuellen Wachs- tum des ÖPNV profitieren. Aber die ZNV ist weder die Arena, in der wir versuchen, unsere Unternehmensinteressen zu platzieren, noch unser Schaufenster. Wir verstehen die ZNV als eine neutrale, für alle offene Plattform, bei der sich alle auf Augenhöhe begegnen und gleich- berechtigte Partner zusammenarbeiten. Natürlich wollen wir mitge- stalten wie alle anderen auch. Aber dass die Neutralität der Plattform gewahrt werden muss, nehmen wir als Initiator wirklich ernst, weil davon der Erfolg der ZNV abhängt.“ Was sind die nächsten Schritte, um die Initiative voranzubringen? „Im Moment beschäftigt uns natürlich die Frage, wie wir auch kurz- fristig andere Wege finden können, um sichtbar zu sein. Ich denke, wir haben auch mit dem ZNV-Event letztes Jahr gezeigt, dass wir große Kraft entwickeln können und dass Mobilität ein relevantes Zu- kunftsthema ist, das viele Lebensbereiche be- trifft und auch außerhalb der ÖPNV-Branche mehr in den Blickpunkt rückt, zum Beispiel in der Stadtentwicklung. Wir sind auf große Resonanz gestoßen, wollen unser Netzwerk verbreitern und gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und im medialen Umfeld der erweiterten Mobilitätsbranche neue Formate entwickeln. Gerade hier sehen wir eine beson- dere Stärke der ZNV und eine Chance für den ÖPNV. Dabei können dann auch große Ver- anstaltungen weiter eine Rolle spielen. Wir hatten letztes Jahr schon eine erste, kleine Kooperation mit der IAA Mobility und stehen seither im engen Austausch. Die IAA Mobility 2025 kann eine gute Möglichkeit sein, zu zeigen, dass es nicht entweder Auto oder ÖPNV heißen muss, sondern Mobilität gemeinsam gestaltet werden und der ÖPNV dabei eine größere Rolle einnehmen muss als heute. Die ZNV soll zur größtmöglichen Sichtbarkeit unserer Branche beitragen und den Resonanzraum für die Themen des ÖPNV vergrö- ßern. Das soll der Branche helfen, ihren Markt zu erweitern und ihre Position zu stärken. Damit das gelingt, brauchen wir vielfältigen Aus- tausch. Wo soll die ZNV konkret ansetzen? An welcher Stelle kann sie Unterstützung leisten? Wie wollen sich Branchenpartner einbringen und welchen Benefit erwarten sie? Darüber möchten wir in den Aus- tausch einsteigen. Unser Angebot steht, ich freue mich über zahlreiche Gespräche!“ „Wir verstehen die ZNV als eine neutrale, für alle offene Plattform.“ Regio Aktuell 02 | Juni 2024 Regio Aktuell 03 | September 2024 3