Aus dem Verband „In der heutigen Zeit steht die Wohnungs- frage nicht nur als sozialökologische Proble- matik im Mittelpunkt gesellschaftlicher Auf- merksamkeit, sondern auch als ökonomischer Stand ortfaktor“ erläuterte Dr. Steffen Wetz- stein die Bedeutung von bezahlbarem Wohn- raum als positiven Standortfaktor. „Die be- zahl bare Stadt mit leichtem und fairem Zugang zu Arbeit, Erholung, Kultur, sozialer Interak- tion, digitaler Infrastruktur, Einkauf und Ver- gnügen ist das beste Fundament für eine produktive und wettbewerbstaugliche Stadt für das 21. Jahrhundert“. NACHHALTIGKEIT IN DER URBANISIERUNG „Ist die Urbanisierung, wie wir sie heute prak- tizieren, nachhaltig?“ fragten Prof. Dr. Hubert Klumpner und Melanie Fessel von der ETH Zürich. Sie zeigten auf, dass sie dies in vielen Bereichen nicht ist. Es wird zu groß und zu teuer gebaut. Am Beispiel des Projekts „Em- power Shack“ aus Kapstadt verdeutlichten sie, dass es auch anders geht. „In Kooperation mit der Stadtverwaltung und den Bewohnern der Siedlung werten wir die dortigen Wohn- verhältnisse nachhaltig auf“ führte Prof. Dr. Klumpner aus. Herzstück des Projekts ist ein zweigeschossiger Holzrahmenbau, der mit Metallplatten verkleidet ist. Durch die Schaf- fung einer zweigeschossigen Wohnung konn- te die Grundfläche der bestehenden Häuser halbiert werden, wodurch mehr Platz für öffentliche Freiflächen geschaffen wurde. Auch für Stuttgart wünscht sich Prof. Dr. Klumpner mehr Freiflächen: „Der stehende Verkehr muss raus aus der Stadt.“ Gleichzeitig gelte es, Straßen noch viel stärker als bisher in Grünflächen zu verwandeln. Ein interessan- tes Beispiel brachten die beiden Vortragen- den aus der Stadt Sarajevo mit. Hier sorgt ein System von öffentlichen Wasserstellen neben ökologischen Vorteilen dafür, dass vorher fragmentierte Nachbarschaften wieder zu ein- ander finden. „Für bezahlbares Wohnen müssen wir raus aus dem Kleinklein und wieder in größeren Maß- stäben denken“, so das Credo von Andreas Hofer, Intendant der Internationalen Bauaus- stellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27). „Klima- und generationengerecht gelingt das aber nur, wenn wir die vorhandenen Flächen sehr viel besser ausnutzen. Wir müssen daher städtische Funktionen geschickt übereinan- derschichten.“ Beispielhaft für diesen Ansatz stellte er das IBA-Projekt „produktives Stadt- Bild (v.l.n.r.): Dr. Iris Beuerle, Verbandsdirektorin vbw (Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V.); Joost Nieuwenhuijzen, Geschäftsführer EFL; Ben Pluijmers, Vorstandsvorsitzender EFL; Rainer Böttcher, Vorstand FLÜWO quartier Winnenden“ vor: Statt eines ge- wöhnlichen Gewerbegebiets soll auf einer 5,5 Hektar großen Fläche ein Stadtviertel der Zukunft entstehen, das Industrie, Gewerbe, Wohnen und Freizeit in neuartigen dichten und urbanen Baublöcken mischt, die in groß- zügige, gemeinschaftlich genutzte Freiräume eingebettet sind. „Hier könnte ein Stück Stadt entstehen, das beweist, dass man auch auf einer Fabrik wohnen kann. Im Zeitalter von Industrie 4.0 ist das bei hoher Wohnqualität möglich“, so Hofer. Auch Marije Raap, Programme Manager Hou- sing bei der Stadt Amsterdam, machte deut- lich, dass eine klare Fokussierung auf sozialen und bezahlbaren Wohnraum bei Neubauten ein Erfolgsrezept darstellt. „In Amsterdam werden 40 Prozent aller Neubauten als sozia- ler Wohnraum angeboten, weitere 40 Prozent kommen in einem mittleren Preissegment auf den Markt.“ Hinzu komme, dass zukünftig jeder Erwerber, der einen Neubau in Amster- dam kauft, auch in diesem wohnen muss, um so Spekulationsgewinne einzudämmen. Die ambitionierten Pläne der Amsterdamer Stadt- verwaltung sehen vor, dass von 2018 bis 2025 durchschnittlich 7.500 Wohnungen jährlich neu entstehen. Da der weiteren Ausdehnung der Stadt geografisch Grenzen gesetzt sind, sind kreative Lösungen gefragt. Ein Gebiet in dem dies schon sichtbar wird, ist Buiksloter- ham. Buiksloterham wandelt sich von einem industriellen Gewerbegebiet zu einem kreis- förmigen Stadtviertel, in dem Wohnen und Arbeiten im Mittelpunkt stehen. Insgesamt rund 8.500 Wohnungen können dort gebaut werden. Joost Nieuwenhuijzen, Geschäftsführer der EFL, ergänzt: „Bezahlbarer Wohnraum, ein starkes Wachsen der urbanen Zentren und der Klimawandel sind Herausforderungen, denen sich die Wohnungswirtschaft stellen muss. Unsere diesjährige Herbsttagung bot eine ausgezeichnete Plattform, diese Fragen zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Ich habe mich dabei besonders über die Unterstützung unseres Mitgliedun- ternehmens FLÜWO gefreut, die uns bei der Organisation dieses Events geholfen hat.“ Ben Pluijmers machte mit seinem Ausblick Hoff- nung: „Die Herausforderungen sind groß, aber ich sehe viele Initiativen, die diese Her- ausforderungen annehmen, und das ist auch, wofür die EFL da ist.“ 51