Liebe Gemeinde, eine Uni am Rand von Deutschland, wenige Jahre alt, kein Anziehungs- punkt für Studenten und Gelehrte – das war Wittenberg Anfang des 16. Jahrhunderts. Luther war als Bibel- professor dorthin zwangsverpflichtet worden. Doch er nimmt seine Aufgabe ernst. Auch deshalb, weil das, was er tut, ihn im Innern treibt. Nicht die Frage nach Gott an sich, sondern: Wie kann ich als sündiger Mensch vor Gott bestehen? Auch nur annähernd mit dem, was ich tue, Gott genügen? Einsicht gewinnt Luther im Vertiefen der Bibel. Nicht nur im Römerbrief. Weichenstellungen sind schon in seiner Psalmen-Vorlesung erkennbar. Also dort, wo der Einzelne mit Gott im Gespräch, meist im harten Ringen bleibt. Luther hat das Entdecken der Gnade Gottes, seiner Barmherzigkeit mit al- len, die wollen, später als neue Geburt verstanden. Das Setzen auf die Güte Gottes wurde für ihn dann zur Kraft, eine ganze Kirche zu reformieren und auch das Gemeinwesen zu prägen. Sind Staat und Ordnung gut? Ja - denn sie schützen die Schwachen. Sollen Arme selber sehen, wie sie klarkom- men? Nein zum Teufel – auch die Ge- meinschaft trägt Verantwortung. Darf ein Christ Politiker, Richter, Geschäfts- mann werden? Natürlich – Gottes Welt ist zu gestalten, Christen sehen diese Verantwortung. Darf man kämpfen und gar Kriege führen? Ja – aber nicht für Gebiets- und Machtgewinn, sondern um viele, die sich nicht wehren können, Vorwort F o t o : l o t z zu schützen, Verbrecher zu stoppen… Augsburgische Konfession. Leisniger Kastenordnung. Von der Freiheit eines Christenmenschen. Warum Kriegs- knechte auch im seligen Stand sein können. Luther gewinnt Antworten, weil er sich von Gottes Gnade getragen weiß. Erfolg ist übrigens kein Grund, sich zu engagieren. Meist werden Christen dabei ins Leiden geführt. Christi Kreuz lässt grüßen… „Unter uns gesagt,“ meint Goethe spä- ter, „an der ganzen Sache ist nichts interessant als Luthers Charakter, das ist das Einzige, was der Menge impo- niert. Alles andre ist verworrener Quark.“ Leider haben sich die Nazis eher an Goethe gehalten als an Luther. Deshalb verpassten sie hunderten Kir- chen im Dritten Reich Luthers Namen. Übrigens auch unserer. Dass deren Ideologie nicht im Nach- gang recht behält, dafür stehen die neuen Kirchenfenster, begehen wir jedes Jahr das Reformationsfest mit aktuellen Inszenierungen. Denn Luther lohnt sich, für Glaube und Gesellschaft, bis heute. 3