SEITE 91 Neue Standards der Baudenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes D ie Geschichte der Denkmalpflege wird von dem Bedürfnis nach Systematisierung, Ori- entierung und Regelwerken begleitet, die in Form von Chartas, Leitsätzen, Handbüchern oder Merkblättern vielfältige Gestalt angenommen ha- ben. Dieses Bedürfnis hat sich aktuell zu einem ausge- sprochenen Bedarf entwickelt, denn die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit von denkmal- pflegerischen Entscheidungen sind zu wesentlichen Faktoren für die Vermittlung und Vermittelbarkeit in der Öffentlichkeit geworden. Nach der Erstellung der Richtlinie „Energieeffizienz am Baudenkmal“ hat sich das Bundesdenkmalamt da- her der Aufgabe unterzogen, die möglichen denkmal- pflegerischen Entscheidungs- und Handlungsmuster für die gesamte Baudenkmalpflege konkret sichtbar zu machen. Die neuen Standards der Baudenkmalpfle- ge werden zeigen, was denkmalgerechtes Handeln am historischen Bauwerk im Einzelnen bedeutet. Anhand der wichtigsten Materialien und Bauteile werden die Grundsätze für die Erfassung und Erhaltung konkret erklärt und Leitlinien für den Umgang mit Verände- rungsabsichten und baulichen Erfordernissen vorge- stellt. Standards sind keine Rezepte oder Normen, son- dern sie geben Orientierungen. Sie stellen so etwas wie Leitplanken und Wegweiser für die einzelnen Abwä- gungsprozesse dar, die bei Bauplanungen oder bei der Konzeption von Maßnahmen erforderlich sind, um zu einem denkmalgerechten Ergebnis zu gelangen. Die Standards der Baudenkmalpflege stellen also ein Grundgerüst für denkmalpflegerische Entscheidungs- wege dar, bei denen verschiedene Faktoren mit unter- schiedlicher Gewichtung eine Rolle spielen. Die histo- risch-ästhetischen Bedeutungsfelder eines Denkmals, seine materielle Beschaffenheit, der Erhaltungszustand, die aktuellen Anforderungen und die zahlreichen Um- feldbedingungen rechtlicher, sozialer und sonstiger Art bilden die verschiedenen Ausgangspunkte für die Betrachtung eines Denkmals zum Zeitpunkt seiner Be- handlung. Diese möglichen Perspektiven müssen in ei- nen nachvollziehbaren Zusammenhang gebracht wer- den, um zu tragfähigen Entscheidungen zu kommen. Die Standards machen die Bandbreite der denkmalpfle- gerischen Positionen sichtbar und zeigen dabei auch die Die neugotische Grazer Herz Jesu Kirche wurde 1881-1891 nach Plänen von Georg Hauberisser d. J. erbaut. Die Bauteile aus Aflenzer Sandstein waren stark angegriffen, auch die Ziegeloberflä- chen waren zersetzt, es bestand die Gefahr von herabstürzenden Bruchstücken bis zu 25 kg. Seit 2004 sind RestauratorInnen bei der Sanierung in 109,60 Meter Höhe am Werk. Foto: Büro Zechner. Text: Bernd Euler-Rolle (Fachdirektor des Bundesdenkmalamtes)